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ARCHITECTURAL DESIGN | Master Thesis Project | 'TANZT, TANZT, SONST SIND WIR VERLOREN' | Entwurf eines Zentrums für Tanz und Choreographie im Schöneberger Gasometer

Project description by the student

Als ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert ragt der Gasometer Schöneberg 78 m hoch in den Berliner Himmel. 1913 in Betrieb genommen und 1995 stillgelegt steht das erhaltene eiserne Gerüst des ehemaligen Niedrigdruck-Gasbehälters mitten in Berlin-Schöneberg, keine 5 km vom Tempelhofer Feld entfernt. Groß, leicht und anmutig ziehen sich die Linien des Gerüsts durch die Wolken, spannen ein geschwungenes Netz und geben dem Himmel sein unverkennbares Muster. Bei schwindender Distanz schrumpft jedoch die Wirkung, sodass die nüchterne Zeichnung des Stahls sich zum fragilen und zugleich rationalen Monument der Luft verwandelt. Hinter dem Netz des Gasometers wird das Zentrum für Tanz und Theater sichtbar. Rund im Grundriss schmiegt es sich an die Form des Gasometergerüsts an. Durch die geschwungene Linien, die sich schraubenartig um das runde Gebäude ziehen und die Etagen definieren, erhält der Ort einer Aura voller Dynamik. Das Gebäude vibriert. Es entsteht der Eindruck permanenter Bewegung. Bohrt es sich in den Boden oder in den Himmel? Die abwechselnde Verwendung von transluzentem und transparentem Glas in der Außenfassade sowie die Freiräume, bei denen einige Bühnen durch offene Zwischenräume von Publikumsempore zur Etagenebene von außen zu erkennen sind, verbreiten eine allgemeine Botschaft der Offenheit und der Willkommensgruß wird zur konkreten Einladungsgeste in der Ganzheit seiner Ausstrahlung: Hier verbindet sich die Rationalität des Stahls mit der erdbetonten Dynamik des Gebäudes und es kommen Leichtigkeit und Schwere zusammen. Es entsteht ein Ort der kulturellen Begegnungsstätte des Tanzes und Choreografie.

Das Konzept der Transparenz zieht sich als Leitlinie für das Zentrum für Tanz und Choreografie durch die gesamte Architektur. Am deutlichsten zeigt sich dies in dem zylindrischem Freiraum, der sich vertikal durch das gesamte Gebäude durchzieht, welche nicht nur das Sonnenlicht durch das gesamte Gebäude durchlässt, sondern auch von innen die Etagen sichtbar macht. Wie eine gigantische Röhre scheint sich hier im wahrsten Sinne des Wortes Luft gemacht zu haben, sodass umgeben vom Zentrum des Tanztheaters sich der Himmel mit der Erde trifft.

Auch das dem Gebäude zugrundeliegende Konzept besteht aus der Bewegung des Treffens. Im Erdgeschoss befinden sich schnell erreichbare Räumlichkeiten für die öffentliche Veranstaltungsarbeit. Hier liegen Verwaltung und Intendanz neben dem Bereich für die spielerische Vermittlung für Kinder und Erwachsene. Außerdem sind hier schnell erreichbar 2 Kinos, 2 Vorlesungs- und 2 Diskussionssäle mit flexibler Inneneinrichtung für unterschiedliche Tisch- und Stuhlkonstellationen.
Auf den darauffolgenden Etagen geht es zu Vorbereitungs- und Wirkungsstätten der Tänzer:innen und Angestellt:innen des Tanzbetriebes: Übungsräume, Umkleidekabinen sowie Schneiderei und die Bühnenbauwerkstatt liegen hier Tür an Tür.

Diese beiden Bereiche der Besuchenden und der der Wirkenden finden ihre Symbiose in der Etage dazwischen. Denn hier erstreckt sich eine Probebühne 78 qm über die 4. Etage, die einerseits für Probezwecke der Intendant:innen andererseits für kleinere Aufführungen und Auftritte genutzt werden kann. Die transparente Innenfassade kann hier bei Bedarf blickdicht versiegelt werden. Im Falle von besonderen Aufführungen kann aber mit der Offenheit des Hintergrundes gespielt werden, sodass die Tänzer:innen, Intendant:innen wie auch das Publikum mit dem Geschehen im Hintergrund umgehen müssen.

Der oberste Bereich besteht aus den Räumlichkeiten für Essen, körperlicher Entspannung sowie geistiger Weiterbildung. Hier befindet sich mit Blick über Berlin Schönefeld die Mensa, die Bibliothek, sowie zusätzliche Räumlichkeiten, in denen Stipendiat:innen wohnen können. Ganz oben ist das Café, das nachts zum Club umgewandelt werden kann. Auf den anliegenden Dachterrassen ist es möglich auf verschiedenen Ebenen des Gebäudes auszuweichen. Eine große Wand bietet hier die Möglichkeit für großflächige Projektionen und Lichtinstallationen.

Wenn sich das Gebäude durch den Gasometer zu winden scheint, so dreht sich einige Meter daneben eine ähnliche Form in den Boden. Über 15 Meter schlingern sich Rampen in die Welt, die unter der Rationalität des Stahls liegt, und führen vorbei an dem Ticketverkauf unter die Erde. Was passiert hier? Bei jedem Schritt scheint sich die reale Welt zu verschleiern, zu vergessen scheint der klare Gasometer und sowieso die irdische Welt „von oben“ - aber dabei führt der Weg doch genau ins Irdische: Ins Herz des Theaters, wo die Schatten groß werden und wo der Körper wieder seinen ursprünglichen Ausdruck findet. Doch mit den Widersprüchlichkeiten nicht genug; auch der Gasometer, der aus der Entfernung noch so groß schien, nur um dann bei Annäherung wieder zu schrumpfen, findet hier nun seine angedeutete Größe zurück. Doch statt in die Höhe zu gehen, wird hier der Raum unter dem Boden geöffnet und es findet eine neue Verwurzelung statt. Von der kühlen Aufrichtigkeit des Stahls in die wahrhaftige Sicherheit des Betons, wo die Wände und Decke spielerisch und wallend eine einzig große Freiform rund um die Hauptbühne bilden: Kein rechter Winkel ist hier zu finden, stattdessen fließt und wölbt sich alles Richtung Bühne, die mit 250 qm unter der Mitte des Gasometers, und damit genau unter dem offenen Himmel liegt.

Es könnte kein größerer Kontrast bestehen zwischen dem rationalem Gebäude über und dieser undefinierten Freiform unter der Erde. Während der Gasometer ein Muster gibt stempelt und kategorisiert, lässt „die Höhle“ schon aufgrund ihrer freien Form ihre Umgebung offen. Sie bietet einen zusätzlichen Raum voller Schutz und Geborgenheit. Aber auch Abgeschiedenheit. Hier kann die Show beginnen. Der Fantasie und dem Ausdruck werden keine Grenzen gesetzt; weder auf der Bühne noch in den Publikumsreihen, da hier die Bestuhlung frei und unkonventionell zu wählen ist. Genauso frei soll hier die Bewegung sein. Die geschwungenen Wände bilden hier und dort kleine Wege und Sackgassen, die zum Verirren einladen soll. Egal, was passiert, hauptsache, du entkoppelst dich von all deinen vorherigen Wahrheiten, um ins Neuland einzutauchen. Erst einmal auf diesem Weg angekommen, sind die Fahrstühle nicht zu verpassen, die ebenso transparent zurück in das Gebäude schießen und einladen, den ganzen Werdeprozess zu reflektieren. Denn in diesem Zentrum für Tanz und Choreografie geht es um handlungsbasierte Wissensproduktion, die aus der Vereinigung von Bewegung und Licht im Raum entsteht. Dabei werden Fragen aufgeworfen, die nur mit physischen Antworten behandelt werden können und nach Welten suchen, die der Gasometer in seiner Hülle impliziert.

In der Höhle wird diese implizierte Welt zur erlebbaren Wahrheit.

Student work by: Markus Gamm
Coachings by: Prof. Matthias Karch, Prof. Dan Schürch & Team IMD _Justus Max Hoven, Dr. Philipp Reinfeld, Nicolai Schlapps
Co-examiner: Prof. Dan Schürch
Examiner: Prof. Matthias Karch

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